Tag gegen Gewalt an SexarbeiterInnen
Prostituierte sind in einem besonders hohen Maße verschiedensten Formen von Gewalt ausgesetzt.
Seit Jahrhunderten werden sie Opfer von Tötungs- und Gewaltdelikten und müssen sich zudem mit struktureller und physischer Gewalt von Seiten der Ordnungsbehörden auseinandersetzen. Eine Hure wird kriminalisiert und zugleich kategorisch zum Opfer erklärt, je nach aktueller Gesetzeslage. Auch diese Art der Entmündigung und der Verweigerung von Mitbestimmungsrechten ist eine Form von Gewalt. Zwangsprostitution, Menschenhandel und Vergewaltigung sind leider fester Bestandteil im Leben vieler Sexarbeiterinnen.
Um auf die, in jedem Land anzutreffende Gewalt gegen Prostituierte und Sexarbeiter aufmerksam zu machen, wird jährlich am 17. Dezember der Internationale Tag zur Beendung von Gewalt gegen Sexarbeiterinnen begangen. Aktuelle Gesetzeslage und Lebenssituation von Prostituierten in Deutschland Gesetze zu schaffen, die Prostituierte einerseits vor Ausbeutung und Illegalität schützen und ihnen anderseits gleichberechtigte soziale und wirtschaftliche Teilhaberechte zuerkennen, sind eine heikle und schwierige Angelegenheit.
Der deutsche Bundestag nahm sich Anfang des neuen Jahrtausends dieser Herausforderung an und brachte Ende des Jahres 2001 das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten auf den Weg. Das Prostitutionsgesetz trat im Januar 2002 in Kraft und sollte Sexarbeiter in vielen Bereichen besser stellen. Betroffen war vor allem die soziale und die rechtliche Stellung der Prostituierten.
Eine Hure konnte ihre Tätigkeit ab jetzt als sozialversicherungspflichtige Dienstleistung anmelden und begründete damit einen Anspruch auf Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung. Durch die neue Legalität ihrer Tätigkeit konnten Sexarbeiter auch endlich noch ausstehende Entgeltforderungen vor Gericht einklagen und konnten wegen ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr strafrechtlich belangt werden. Außerdem wollte der Gesetzgeber die Arbeitssituation von Prostituierten verbessern und stellte das Betreiben von Bordellen nicht länger unter Strafe.
Doch das neue Gesetz war schon nach kurzer Zeit heftiger Kritik ausgesetzt. Zum einen wurde kritisiert, dass viele Formulierungen des Gesetzes so schwammig sind, dass sie selten zur Anwendung kommen. Das betrifft beispielsweise die strafrechtlich anklagbare Ausbeutung von Prostituierten. Die Voraussetzungen dieser Straftat sind in der Realität schwer zu beweisen sind und werden daher selten zur Anklage gebracht. Zudem wird bemängelt, dass das Gesetz nicht nur die rechtliche Stellung von Prostituierten, sondern vor allem die der Bordellbetreiber und der Kunden gestärkt hat. Manche Stimmen behaupten sogar, dass Prostitutionsgesetz hätte Menschenhandel und Zwangsprostitution Tür und Tor geöffnet.
Wie viele Frauen in Deutschland tatsächlich gegen ihren Willen festgehalten und zur Prostitution gezwungen werden, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen. Fakt ist jedoch, dass das Prostitutionsgesetz nur teilweise seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden konnte. Das sieht auch die Bundesregierung so und plant daher, in nächster Zeit Modifikationen des Prostitutionsgesetztes auf den Weg zu bringen. Verändert werden sollen Regelungen des Aufenthaltsrechts, die Möglichkeiten der ordnungsbehördlichen Kontrolle von Bordellen und einige Paragrafen des Strafgesetzbuches.
Neben rechtlichen Veränderungen muss außerdem ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden. Aufklärungskampagnen für Freier, sowie mehr Anlaufstellen für die Sorgen und Nöte von Sexarbeitern müssen geschaffen werden. Es darf nicht sein, dass Prostituierte nach wie vor aus dem Stadtbild verdrängt werden können und ihrer Beschäftigung in entlegenen Winkeln nachgehen müssen. Das birgt ein hohes Gefährdungspotenzial für die Sexarbeiterinnen. Die Prostitution muss aus seiner dunklen, schmutzigen Ecke herausgeholt werden. Diesen Zweck verfolgen auch der Aktionstag des Internationalen Hurentags, des Tages für die Rechte von Sexarbeitern, sowie den Tag zur Beendung von Gewalt gegen Sexarbeiterinnen.
Erste Schritte für mehr Rechte von Frauen und Männern in der Sexindustrie sind die bundesweite Anlaufstelle Gewalt gegen Frauen, die angestrebten rechtlichen Modifikation des Prostitutionsgesetzes und einige Projekte, die Frauen helfen wollen, Alternativen zu ihrer Tätigkeit als Hure zu finden. Auch geplante Änderungen des Aufenthaltsgesetzes sind ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch muss dringend etwas für die Frauen getan werden, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind und aus Angst vor ihren Zuhältern das Bordell gar nicht verlassen.
Das deutsche Strafrecht muss diese Frauen und Männer besser schützen und die Hintermänner zielgerichteter ausfindig machen. Ein weiteres großes Problemfeld ist der boomende Sextourismus in Deutschland. Immer mehr Freier aus dem Ausland strömen nach Deutschland, um hier die Dienste von Prostituierten in Anspruch zu nehmen.
Wollen wir wirklich in einer Gesellschaft leben, die Sexarbeiterinnen zu Objekten degradiert und ihnen nicht die gleiche Hilfe zuerkennt, die anderen Gesellschaftsgruppen zusteht?